Dickkopf mit Charme
Artikel aus „essen & trinken“ – April 2003
Die Obermosel ist nicht das Zentrum der Weinwelt. Aber die Tropfen von Steinmetz verdienen allemal Beachtung.
Stephan Steinmetz ist ein Mann mit Unternehmungsgeist und Durchsetzungswillen. Eigenschaften wie diese braucht ein Mann auch, wenn er erfolgreich Wein produzieren und verkaufen will. Zumal dann, wenn man wie der 32jährige an der Obermosel lebt, die nicht gerade im Focus der Weinöffentlichkeit steht. Und doch wirkt er auf den ersten Blick so jugendlich, dass man den gestandenen Mann dahinter für einen Moment verkennt. Seine Beredsamkeit indes macht im Nu alles wieder wett. „Ich habe viel und hart kämpfen müssen“, erzählt er über sich. Und setzt, wie immer mal wieder bei solchen Sätzen, ein besonders entwaffnendes Lächeln auf. „Doch am Ende ist es immer einfacher gegangen als gedacht“, fügt er an. Dabei hat er es sich selbst wohl nie richtig leicht gemacht. Als er sah, wie die älteren Geschwister in andere Berufe strebten, wie die Familie ernstlich daran dachte, den Winzerhof aufzugeben, wechselte er vom Gymnasium auf die Weinbauschule und packte an. Vater Josef war zwar stolz und froh darüber, mit welcher Begeisterung sich der Sohn an die Rettung des Betriebes machte. Doch dessen reichlich sprudelnde Ideen erschienen ihm verdächtig. Dem Alten ging alles viel zu schnell und viel zu weit. Ein Argument des Juniors aber war nicht zu schlagen: „Du sagst immer, so wie bisher kann’s nicht weitergehen“, hielt er dem Vater vor. „Also müssen wir alles anders machen.“
Doch in einem Örtchen wie Wehr mit seinen 200 Seelen ist so etwas schon eine Revolution. Zwar wird die ziemlich verlassene Gegend neuerdings wohltönend als „südliche Weinmosel“ ausgelobt, aber das ändert an den Bedingungen nichts. Auf dem Muschelkalk gedeiht der Riesling nur schwer. Die Winzer sind verschlossene, beharrende Menschen, die sich lieber auf den Elbling verlassen. Die altrömische uva alba ist die älteste auf deutschem Boden angebaute weiße Rebe. Bei reichem Ertrag bringt die robuste und fruchtbare Sorte einen säurebetonten Wein, der frü- her vor allem versektet wurde – keine Perspektive für Steinmetz!
Entscheidend war für ihn der Blick über die Mosel. Luxemburg lag zum Greifen nahe und war trotzdem für die Menschen auf der deutschen Seite sternenweit entfernt. „Die haben nicht mehr Sonne und auch keine besseren Lagen“, sagte sich Steinmetz, „und doch blüht bei denen der Weinbau.“ Was also machten die da drüben anders? Ganz einfach, sie hieben den Elbling aus und setzten Burgunder, sie graben sich ein denkbar einfaches Bezeichnungsrecht und beließen ihren Wein herb, damit er zum Essen passt.
So machte er es dann auch. Und der Erfolg stellte sich schneller ein als gedacht. Vor allem Weißer und Grauer Burgunder sind gefragt. Auf den Kalkböden und im kühleren Klima der Obermosel geraten diese Weine, anders als am Kaiserstuhl, leicht und rassig. So mag sie der jugendliche Winzer: „Ein Wein ist dann gut, wenn eine Flasche am Abend zu wenig ist.“ Als Spezialität nahm Steinmetz auch den Auxerrios hinzu, eine seltene Burgunder-Spezies, die wegen der überaus milden Säure von empfindlichen Kunden geschätzt wird. Am Elbling hält er aber auch fest: „Der ist unsere Wurzel hier.“ Selbst aus dieser groben überreich tragenden Sorte lässt sich ein an- ständiger Tropfen erzeugen, wenn sich der Winzer beim Ertrag zurückhält. Im Frühjahr stutzt Steinmetz die Reben unbarmherzig. Im Sommer schneidet er oft ein Drittel der grünen Trauben heraus, damit die verbleibenden um so mehr Zucker und Mineralstoffe speichern. Nachbarin- nen, die beim Binden und Ernten mithelfen, waren entsetzt. Erna Mort, seit 40 Jahren dabei, schimpfte, dies sei Sünde wider den Schöpfer. Doch als sie dann den fertigen Wein kostete, musste sie zugeben noch nie einen so guten Elbling im Mund gehabt zu haben.
Vater Josef fühlte sich zuerst in seiner Skepsis bestätigt, als alte Kunden ihre lieblichen Spätle- sen vermissten und ausblieben. Doch der Sohn änderte seine Meinung nicht, dass Lagennamen und Prädikate bloß Verwirrung stiften. Er schreibt nur die Rebsorten aufs Etikett und verzichtet sogar auf die Bezeichnung trocken. Dies sei „bei uinseren Weinen selbstverständlich“, deshalb kamen neue Abnehmer. Der Umschwung zog sogar Künstler an. Im Hof wurde eine Kulturscheune eingerichtet mit Jazz und Lyrik, mit Bildhauerei und Stummfilm-Schätzen. Flammkuchen-Abende locken. Neuerdings hat Wehr sogar eine Bahnstation, vom Weingut nur fünf Minuten zu Fuß ent- fernt. Steinmetz: „Die Welt hat keine Ausrede mehr. Sie muss hierherkommen.“
Text: Pit Falkenstein